In Deutschland sind Verspätungen und Zugausfälle nichts neues, es gleicht eher einem Wunder, wenn der tatsächlich einmal pünktlich ankommt, abfährt und auch sein Ziel pünktlich erreicht.
Ich staunte also nicht schlecht als ich am heutigen Morgen am Bahnhof ankam und sehen musste, wie dieser vor dem Eingang zu den Shinkansen etwas überfüllt war. Komisch, kann mir aber egal sein, ich will ja nur 1100km nach Hiroshima.
Ungewöhnlich auch, dass die Schlange zum Ticketverkauf etwas länger ist als beim letzten Mal, heute stehen sogar die Menschen sogar auf dem Gang.
Mir nicht viel dabei denkend stellte ich mich also hinten an und wartete. Im Ticketverkaufsraum angekommen viel mir auf, wie die Informationstafeln der Züge keine Informationen, dafür aber einen Text auf japanisch anzeigten.
Zwei funktionierende Bildschirme an der Seite des Raumes allerdings, zeigten Informationen über zur jetzigen Zeit abgefahrenen Züge an.
Ja, irgendwie wirkt es ja jetzt doch ein wenig merkwürdig, ich wollte doch nach Hiroshima, dafür muss ich aber zuerst nach Tokio. Und um nach Tokio zu kommen, muss ich in einen Shinkansen einsteigen, denn nur so schaffe ich es die enorme Distanz in einer akzeptablen Zeit zurück zu legen.
Während ich warte sah ich, wie verschiedene Mitarbeiter die Tickets ihrer Gäste entgegennahmen und durch andere austauschten.
Komisch, was könnte das nur bedeuten?
Ich überlegte nun, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre mich an einen Ticketautomaten zu stellen, allerdings war es rückblickend doch sehr richtig in der Schlange zu stehen.

Nun endlich am Schalter angekommen wurde ich zuerst gefragt, ob ich einen JR Pass hätte. Dieser würde mir erlauben für 50.000 Yen alle Züge in einer Zeitspanne von Sieben Tagen zu nehmen. Vorausgesetzt ich hätte den richtigen Aufenthaltsstatus (unter 90 Tage). Wer den ersten Eintrag mitgelesen hat, der wird festgestellt haben, dass dieser schon mehr als 90 Tage zurückliegt. Etwas Schade, kann man aber nicht ändern. Nachdem ich mein Ziel angegeben hatte, wurde mir eine langsamere Ersatzroute vorgeschlagen welche statt den eigentlichen 6h nun nur 11h dauern sollte.
Na super, dachte ich, nicht nur, dass ich insgesamt statt zwei Mal, ganze FÜNF Mal umsteigen musste, nein, auch das ich erst um 22 Uhr ankommen soll, wobei ich vielleicht erwähnen sollte, das die Rezeption meiner Unterkunft in Hiroshima um 22 Uhr schließt.
Aber keine Sorge, ich habe bereits geklärt das ein späterer, manueller Check in möglich ist.

Was mir nun eher Sorge bereitete, waren die vielen kleinen Bahnhöfe an welchen ich mit der Bummel-äh-Bimmelbahn, anhalten und umsteigen musste.

Sendai 11:00 – Shiroichi 11:48, Umstiegszeit: 3 min
Shiroichi 11:51 – Fukushima 12:25, Umstiegszeit: 5 min
Fukushima 12:30 – Koriyama 13:18, Umstiegszeit: 6 min
Koriyama 13:24 – Iwaki 15:00, Umstiegszeit: 18 min
Iwaki 15:18 – Tokyo 17:43, Umstiegszeit: 29 min
Tokyo 18:12 – Hiroshima 22:02, Umstiegszeit: 0 min, endlich da

Beim Umstieg in Shiroichi stieg der gesamte Zug mit um, wechselte das Gleis und stieg wieder ein, das ging fein.
Danach unterhielt ich mich ein wenig auf englisch mit einem Japaner, welcher mir versicherte, dass ich alle anschließenden Züge bekommen würde und der mir versicherte, das er noch nie mitbekommen hat, das es diese Situation gab.
Er kannte sogar Weimar durch die „Weimar Constitution“ und zeigte mir bei der Einfahrt in den Bahnhof in welche Zug ich zu wechseln haben würde.
Auch hier war es mir recht schnell möglich einzusteigen und ich hatte noch satte 3 Minuten als Puffer. Aber nein, ich hatte nicht das Bedürfnis mit einem weitern Umstiegsversuch eine neue Bestzeit zu erreichen.
In Koriyama ging es von den vorherigen Zügen der Tohoku Line in ein etwas älteres Model auf der Ban-etsu-To Linie.
Auch dieser Umstieg gelang mit dem wirklich hervorragendem Ergebnis das ich im richtigen Zug saß.
Während der Himmel immer dunkler wurde und sich der Zug an den Wäldern durch die Berge schlängelte fing es langsam an zu regnen, jedoch konnte mir dies egal sein, ich war ja (noch lange) nicht am Ziel angekommen.

In Iwaki hatte ich sogar 18 Minuten zum umsteigen, ein wahres Geschenk. Leider jedoch habe ich es nicht geschafft einen Stempel zu sammeln.
Mittlerweile ist es 16 Uhr, und, hätte ich direkt ein Ticket bekommen schon längst hinter Tokyo, momentan muss ich allerdings noch eine Stunde im Zug verbringen um wieder umsteigen zu dürfen.

Ein leerer Shinkansen, aber keine Sorge, der füllt sich noch.

Da nun etwas Zeit ist, werde ich nun doch einmal verraten warum ich diesen Umweg nehmen musste.
Heute früh, gegen 8 Uhr lockerte sich die Koppelung zwischen zwei Waggons eines Shinkansen zwischen Furukawa und Sendai Station Richtung Tokyo.
Zum Glück aber gab es keine verletzten.
Dieser Shinkansen, bestehend aus Hayabusa 6 hat 10 Waggons mit ca. 200 Passagieren und Komachi 6 mit 7 Waggons und 120 Passagieren entkoppelte sich nun also mitten auf der Strecke und stoppte.
Daraufhin wurde der gesamte Verkehr auf der Tohoku Line zum Stillstand gebracht.
Während ich hier nun also sitze und „recherchiere“, habe ich eben einen Zeitungsartikel gefunden dessen Titel ich recht passend fand:
Komachi, wo bist du hingegangen?

Ich sehe gerade, dass die Shinkansen seit ca. 12:20 wieder fahren, naja, für mich ist der Zug abgefahren.
Vor allem, da ja genug andere Fahrgäste auf ihren Platz im nächsten Zug warten und die nächsten sicher sehr, sehr voll sein werden.
Mir kann das egal sein, in einer Stunde bin ich in Tokyo.

Das ist Tokyo

Warum guckt der so?

Nun bin ich auch angekommen, habe meine Verbindung in Tokyo bekommen, auch wenn dieser Bahnhof etwas zu unübersichtlich für mich ist und die Decke auch sehr niedrig ist. Muss aber letztendlich sagen, dass diese Fahrt abgesehen von der, durch das unvorhersehbaren erstmaligen entkoppeln eines Shinkansens entstandenen Verspätung/Umplanung, doch sehr, sehr gut geklappt hat. Sicher, ich hätte nur 6 Stunden statt 11 brauchen können, mit der Deutschen Bahn wäre ich aber nie angekommen. Ich habe sofort eine Umleitung bekommen und habe auch jeden der Züge bekommen und immer mal auf die Uhr geschaut. Ausnahmslos jeder einzelne Fuhr zur angegeben Zeit ab und kam auch zur angegebenen Zeit an. Das muss erst einmal jemand nachmachen. (DB das könntest du ja mal probieren) – Selbst ein Versuch wäre schon um längen besser als die Verkehrssituation mit der Bahn in Deutschland.

Die Fahrt am nächtlichen Osaka vorbei hat mich schon sehr, sehr stark an die Hochhäuser aus dem Anime/Film アキラ – Akira von 1988 erinnert. Über diesen Film der 2019 spielt gäbe es wahrlich Bücher zu schreiben, interessant könnte allerdings sein, dass dieser zur Verbreitung des Animes im Westen führte, das dieser für 2020 die Olympischen Spiele in Tokyo vorhersagte, 327 UNTERSCHIEDLICHE Farbtöne verwendete und das dieser vor Spirited Away – Chihiros Reise ins Zauberland, mit 10 millionen Dollar der teuerste Anime der Welt war.

Ich glaube, das ich auf der falschen Seite des Bahnhofs ausgestiegen bin. Ja, ich bin noch in Hiroshima, einen Umweg muss ich nun aber trotzdem machen. Und das alles nur wegen dieser Stempel: